Quirin Wember – Gemüsesaatzucht Ellingerode
1980 begann ich – angeregt durch zwei alte Bäuerinnen –, meine ersten Gemüsesamen im elterlichen Garten zu vermehren. Während des Studiums der Landwirtschaft an der Gesamthochschule Kassel in Witzenhausen lernte ich die späteren Gründer*innen von Dreschflegel kennen. Nach einem Jahr Mitarbeit auf dem Dreschflegelbetrieb von Martina Bünger begann ich 1994 im Hausgarten wieder mit der Saatgutvermehrung, die immer weiter aus dem Garten heraus wuchs und zu einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb wurde. Wichtig ist mir, mit Saatgutarbeit und Züchtung der Gentechnik und Industrialisierung der Landwirtschaft etwas entgegenzusetzen. Mit mir arbeiten auf dem Betrieb zwei Gärtner*innen in Teilzeit und ein*e Auszubildend*e.
Wie wir arbeiten
Der Betrieb umfasst vier Hektar Grünland und Äcker, davon etwa ein Hektar Gemüsesamenbau und Züchtungsparzellen. Wir vermehren und züchten rund 50 Gemüsesorten und einige Blumen sowie mehrere Gründüngungssaaten. Charakteristisch für den Betrieb ist, dass die Gründüngungen, aber auch manche Gemüsekulturen, wie Spinat, Feldsalat, Buschbohnen, im landwirtschaftlichen Stil vermehrt werden: Die Bodenbearbeitung und teilweise die Pflege durch Hacken und Häufeln erfolgen mit einem Ackerschlepper von 58 oder 35 PS, die Ernte, wenn möglich, mit einem Mähwerk oder direkt mit einem Anbaumähdrescher am Schlepper. Im Kontrast dazu stehen unsere (Erhaltungs-) Züchtungsanlagen mit zig kleinen Parzellen von Nachkommen einzelner Pflanzen. Sie erfordern Handarbeit und Hirnschmalz. Der Dreh- und Angelpunkt aller gärtnerischen und landwirtschaftlichen Arbeiten ist das Abpassen des richtigen Zeitpunkts: das günstige Wetter, der gute Bodenzustand, der richtige Schnittzeitpunkt …
Ein paar Schafe und eine kleine Entenherde runden den Betrieb ab. Einige Ackerstücke tauschen wir im Sinne einer guten Fruchtfolge mit der Saatgutgärtnerei Stefi Clar, dem Betrieb meiner Partnerin. Auch die Nutzung der Frühbeete und die Maschinennutzung läuft mit vielfältigem Austausch, so dass sich beide Betriebe insgesamt sehr gut ergänzen. Alle Maschinen meines Betriebes sind gebraucht gekauft, teilweise 30 bis 60 Jahre alt und werden laufend in Schuss gehalten. Bei uns steht neben der Saatgutreinigung auch ein Abfüllautomat, der sogar schon 80 Jahre alt ist, und mit dem wir einen Teil des Saatgutes auch anderer Betriebe in die Dreschflegeltüten füllen.
Weitere Standbeine
Gartenbau und Landwirtschaft tragen ganz nebenbei zu einer weitgehenden Selbstversorgung bei. Ehrenamtlich engagiere ich mich seit 25 Jahren im Ortsbeirat und kümmere mich um die Pflanzung der Gemeindeobstbäume des Dorfes. Ehrenamtlich ist auch die Tätigkeit im gemeinnützigen Dreschflegel e.V. und in der Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit. Für die Gentechnikfreiheit habe ich mich auch beim Anbauverand Bioland engagiert und war zehn Jahre Mitglied in dessen Bundesfachausschuss Pflanzenzüchtung. Von 2000 bis 2013 unterrichtete ich Gemüsesamenbau und ökologische Pflanzenzüchtung am Fachbereich Ökologische Landwirtschaft der Uni Kassel in Witzenhausen. Daneben arbeite ich immer mal im Lehm- und Fachwerkbau, aktuell auf unserem eigenen Hof.
Standort, Klima- und Bodenbedingungen
Das zwischen Kaufunger Wald und Werratal gelegene Kleinalmeröder Hügelland ist durch Erdfälle und Aufwölbungen des Zechsteins im Untergrund geprägt. Je nach Mächtigkeit der eiszeitlichen Lößüberdeckung, von einigen Zentimetern bis zu zwei Metern,haben die Äcker 30 bis 70 Bodenpunkte. Ein Acker liegt im etwas sandigeren Auenlehm des Wilhelmshäuser Baches, ein anderer am rückseitigen Südhang des Werragebirges auf unterem Buntsandstein mit 29 Bodenpunkten, den wir für wärmeliebende Pflanzen gärtnerisch gut nutzen können. Die Meereshöhe liegt bei durchschnittlich 200 m über NN. Die langjährige Jahresdurchschnittstemperatur betrug 8,5° C bei etwa 650 mm Niederschlag im Regenschatten des Kaufunger Waldes. Diese für den Samenbau eigentlich ideale Lage hat uns in Trockenjahren sehr herausgefordert: Nur wenige Kulturen können wir aufwändig mit Fässern und Tropfschläuchen bewässern, was aber fehlenden Regen nicht ersetzen kann.